3. Auferstehungskirche Nord-Barmbek
Die Grundsteinlegung fand am 23. Januar 1916 statt. Ein gütiges Geschick hat uns die Schilderung in den Hamburger Nachrichten bewahrt. Es war trotz der ernsten Zeit ein wahres Volksfest. Nur im Auszug möge einiges aus dem ausführlichen Bericht folgen, wobei die siegesstolzen Hoffnungen in den Ansprachen vergessen sein mögen.
Strahlender Sonnenschein, wie er im Januar selten ist, leuchtete der feierlichen Grundsteinlegung der zweiten Kirche Barmbeks. Um den Bauplatz flatterten im frischen Wind auf hohen Masten hamburgische und deutsche Fahnen neben solchen mit den Farben unserer Bundesgenossen; auch der rote Halbmond fehlte nicht bei der Gründung eines neuen christlichen Gotteshauses. In hellen Scharen hatte sich die Bevölkerung des Stadtteils, klein und groß, zusammengefunden; viele Häuser der Nachbarschaft hatten Flaggenschmuck angelegt. Vor dem Grundstein hatten Platz genommen die Kirchspielherren Senator Sachse und Senator Rodatz, Senior D. Dr. Grimm, die Gemeindeältesten Herren Palm, Kirsten, Callenberg und Burmester und die Kirchenvorsteher Herren Dreckmann, Garfs, Eggers, Kunckel, Ruprecht, Eggers, Lembcke und Becker. Die Geistlichen Barmbeks waren vollzählig erschienen. Nach gemeinsamem Gesange richtete Pastor Böhme eine Ansprache an die Versammelten, der er das Wort Jes. 28,16 zugrunde legte:
„Siehe, ich lege in Zion einen Grundstein, einen bewährten Stein, einen tröstlichen Eckstein, der wohlgegründet ist. Wer glaubt, der wird nicht zuschanden werden."
Nach fernerem gemeinsamen Gesange sprach Pastor Steffen über Apostelgesch. 18,9-10: „Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht. Denn ich bin mit dir; denn ich habe ein groß Volk in dieser Stadt." Der Apostel Paulus vernahm dieses Wort des Herrn in Korinth, der alten Stadt der Arbeit, des Handels und des Vergnügens, als er zagend fragte: „Woher soll ich den Mut nehmen, in dieser Stadt der Sinnenlust nach Raum zu suchen für stille, starke Innerlichkeit?“
Auch uns in Hamburg hat man von manchen Seiten zugerufen: „Baut Theater, baut Konzertsäle, baut Stätten der Lehre; aber für eure Kirchen ist kein Platz mehr in einer Zeit, da die Entwicklung rastlos fortschreitet.“ Auf die hören wir nicht, sondern auf Gott, der da sagt: Ich habe ein groß Volk in dieser Stadt.
Der Gemeindeälteste Wilhelm Palm verlas dann die Urkunde, die mit Münzen, Papiergeld und Zeitungen im Grundstein eingemauert wurde:
"Im Namen Gottes! Mit Dank gegen Gott begehen wir heute, im dritten Jahre des großen Krieges, die Grundsteinlegung der zweiten Kirche in Barmbek, hoffend, dass, was im Krieg begonnen, im Frieden beendet werden möge".
Damit geht endlich der Erfüllung entgegen, was schon vor acht Jahren ins Auge gefasst wurde, als Nord-Barmbek als vierter Bezirk der Heiligengeist-Gemeinde mit eigenem Pastor eingerichtet wurde, damals mit etwa 7.000 Seelen. Heute umfasst der Bezirk, der 1913 seinen zweiten Pastor bekam, wohl 20.000 Seelen. Bei diesem raschen Wachstum musste der Bau einer eigenen Kirche bald eine dringende Notwendigkeit werden.
Am 3. Mai 1912 erbat sich der Kirchenvorstand bei der Finanzdeputation einen Bauplatz für eine Kirche und erhielt nach längeren Verhandlungen durch Einen Hohen Senat und die Bewilligung der Bürgerschaft am 30. Juni 1913 diesen Platz zugesprochen. Schon vorher hatte sich ein freies „Kirchenbaukomitee" gebildet, das sich die Sammlung der ersten Gelder und die Weckung und Belebung des Interesses für den Bau angelegen sein ließ. Die erste Sammlung ergab die Summe von etwa 3.300 Mark. Im Oktober 1912 trat ein vom Kirchenvorstand eingesetzter Bauausschuss, der sich durch Mitglieder des Kirchenbaukomitees erweiterte, zusammen, um ein Bauprogramm zu entwerfen. Einstimmig wurde beschlossen, nicht nur den Bau einer Kirche mit Pastorat ins Auge zu fassen, sondern sogleich auch damit das Gemeindehaus, die Kirchendiener- und Schwesternwohnung zu verbinden, um so in gruppiertem Kirchenbau, zum ersten Mal in Hamburg, eine Baugruppe zu schaffen, die der Mittelpunkt des kirchlichen, sozialen und geselligen Lebens werden soll. Dieses Bauprogramm wurde am 13. Juni 1913 vom Kirchenvorstand angenommen. In einem engeren Wettbewerb unter vier hamburgischen Architekten wurde vom Preisgericht der Entwurf des Herrn Camillo Günther mit dem ersten Preis gekrönt und vom Kirchenvorstand zur Ausführung bestimmt. Aber erst die außerordentliche Synode am 21. September 1915 bewilligte uns die Mittel, 205.000 Mark zunächst, für den Bau der Kirche. So konnte dann der Bau dem Maurermeister Herrn Otto Schultz, der auch die Heiligengeist-Kirche ausführte, übergeben werden.
Am 1. Oktober d. J. soll die Kirche der Gemeinde übergeben werden, wenn nicht unvorhergesehene Ereignisse dazwischentreten. Mancherlei Schwierigkeiten stellen sich dem Bau entgegen, die durch den Krieg verursacht sind. Gott gebe, dass kein Schaden sie alle treffe, die an Seinem Hause bauen!
Er schenke, dass, wenn dieser Kirche Glocken zum ersten Male läuten, es Friedensklänge seien für unser ganzes Volk! Er wolle selber diese Stätte weihen, dass hier eine Gemeinde zusammenkomme, die ihn anbetet im Geist und in der Wahrheit!
O Herr, hilf; o Herr, lass wohlgelingen! Amen.
Der Erste Kirchspielsherr, Senator Sachse
Hamburg, den 23. Januar 1916
Nach den üblichen Hammerschlägen beendete Pastor Bleymüller die feierliche Handlung.
Die kühne Hoffnung, noch im Jahre der Grundsteinlegung den Bau zu vollenden, konnte im Kriege nicht erfüllt werden. In aller Stille wurde das Richtfest gefeiert, und erst gut vier Jahre nach dem Baubeginn, am 16. Mai 1920, wurde die Kirche durch Senior Grimm, der sich so tatkräftig für Gemeinde und Bau eingesetzt hatte, geweiht. Die Gottesdienste hielten die Pastoren Steffen und Bleymüller.
Das von Anfang an geplante Gemeindehaus folgte erst einige Jahre später; am 2. Dezember 1927 wurde es durch Senior D. Stage eingeweiht. Der Gemeindebezirk war fast gleichzeitig mit der Kirchweihe abgegrenzt worden: Im Osten war es die Landesgrenze gegen die preußischen Gemeinden, im Westen der Stadtpark, gegen Alt-Barmbek die Aue des Osterbeks.
Kurz möge die Abtrennung der neubebauten Gemeindebezirke an den Rändern der Auferstehungsgemeinde angedeutet werden. Am kräftigsten entwickelte sich der Bezirk Dulsberg, dem Schumacher ebenfalls sein städtebauliches Gesicht gegeben hatte. Die räumliche Abgrenzung durch Landesgrenze, Bahndamm und Osterbekkanal war klar. 1933 erfolgte die Abtrennung, 1937 die Weihe der Kirche an der Straßburger Straße. Zum gleichen Zeitpunkt wurde auch der Nordbezirk um den Hartzlohplatz selbständig: Bereits 1931 hatte er einen eigenen Kirchsaal, nach dem Zweiten Weltkrieg die St.-Gabriel-Kirche bekommen. Die letzte Abtrennung erfolgte 1969: Der Gemeindeteil jenseits der Bramfelder Straße bekam ein eigenes kirchliches Zentrum am Rudolphiplatz und Lämmersieth: Die St.-Bonifatius-Gemeinde.
Die Mutterkirche Nord-Barmbeks steht heute mehr als 90 Jahre, sie ist in ihrer Art einzig. Am Äußeren fällt auf, dass sie keinen gesonderten Turm als Bauelement und als Träger des Geläutes hat, sondern über einem Rundbau eine steile Kuppel mit einer hohen Laterne, von einem goldleuchtenden Kranz überragt. Nach dem Tieloh ist ein Vorbau mit hohem Giebel und der Uhr, unten die drei Bogen zur Vorhalle, außen mit den Köpfen von Luther und Melanchthon. Über der Eingangstür stehen die Worte: „Ihr seid teuer erkauft, werdet nicht der Menschen Knechte (1. Kor. 7, 23).“
Die Auferstehungskirche ist eine Zentralkirche mit einer prachtvollen Entfaltung des Predigtraumes, Sie ist ein Rundbau, bei dem die Altarnische, nach hinten aufsteigend, sehr glücklich angefügt ist. Wie bei den barocken evangelischen Kirchenbauten des 18. Jahrhunderts ist der Blick von allen 400 Sitzplätzen des Kirchenschiffs wie auch von den 230 Sitzplätzen der Empore aus, die nur vom Altarraum freigelassen wird, auf Kanzel und Altar gerichtet.
Die Kanzel stellt den Geistlichen, da sie nur drei Stufen über dem Fußboden des Kircheninnern sich erhebt, fast unmittelbar in die Gemeinde hinein und erfüllt so eine Forderung der „Volkskirche"; sie ist aus Kunststein und ein Geschenk des Gemeindeältesten Heinrich Dreckmann. An ihrer Stirnseite schwingt sich ein Adler, und darunter steht der Spruch aus Jes. 40 Vers 31: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler."
Der vor der Kanzel stehende Taufstein steht noch in der Ebene des Kircheninnern und trägt die Inschrift: „Wisset ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seid?"
Im Altarraum links befindet sich die Kriegerehrung, einen sterbenden Krieger darstellend. Rechts liegt, durch einen Vorhang abgetrennt, die Sakristei. Der Altar selbst, ebenfalls aus Kunststein, erhebt sich wiederum drei Stufen über den Altarraum und ist mit einem Umgang für die Abendmahlsgäste versehen. Das Altarbild ist ein Mosaik des Künstlers Axel Bünz. In Anlehnung an das Siegel der Auferstehungskirche stellt es den Weg nach Golgatha mit den drei Kreuzen als Ziel dar, dahinter die strahlende Ostersonne. Durch die hellen Tempelbauten und Türme von Jerusalem geht es durch den braunen Mittelgrund hin den dunklen Kreuzen zu, hinter denen das Hell des Lebens aufleuchtet. Das Bild selbst wird umrankt von dem stilisierten Weinstock mit Reben. Unter dem Altarbild befindet sich, aus Lindenholz geschnitzt, eine Darstellung des Abendmahls in Halbrelief von Bildhauer Richard Kuöhl mit dem seitlichen Spruch: „Die Liebe Christi dringet uns also“ (2, Kor. 5 Vers 14).
Von Prof. Kuöhl stammt auch der übrige figürliche Schmuck, wie der Schmuck an Kanzel und Taufstein und die Halbreliefs an der Brüstung, Szenen aus der Bibel darstellend, die die Glaubenslehre betreffen. Links vom Eingang in die Kirche liegt das Kirchenbüro, zwischen Eingang und Kirche die Vorhalle, die später in Notzeiten auch als kirchlicher Raum Verwendung fand.
Die zwei Glocken wurden beim Bochumer Verein als Klangstahlglocken gegossen. Sie haben als Grundstöne D und F, so dass beim Läuten, das zuerst noch mit dem Zuge durch Menschenkraft, später aber elektrisch ausqeführt wurde, der Dreiklang D - F - As entsteht.